Quelle MOPO 18.12.2010
WIKILEAKS-ENTHÜLLUNGEN
Scientology-Verbot: Trickste Ahlhaus die Bürger aus?
WikiLeaks – die Enthüllungsplattform aus dem Internet. Nun erwischt es auch Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU). WikiLeaks veröffentlicht eine vertrauliche Depesche des Hamburger US-Generalkonsulats, die für Ahlhaus politischer Sprengstoff sein könnte.
VON OLAF WUNDER
Die WikiLeaks-Dokumente zu Ahlhaus und Scientology
Daraus geht hervor: Die Forderung nach einem Verbot der Scientology-Sekte 2007 wurde nur erhoben, weil sich die Hamburger Regierungskoalition davon Stimmen bei der Bürgerschaftswahl 2008 erhoffte. Ein Wahlkampftrick?
Dezember 2007: In Berlin dreht der Scientologe Tom Cruise den Film „Operation Walküre“ über das Attentat auf Hitler. Schlagzeilen macht auch der Fall zweier Kinder, die ihren Scientology-Eltern entlaufen sind.
Scientology ist in aller Munde. Genau in dieser Situation lädt der damalige Innensenator Udo Nagel (parteilos) zur Landespressekonferenz und fordert ein Verbot der Sekte. Bayern schließt sich an. Zu einem Verbot kommt es trotzdem nicht. Warum? Vielleicht weil die Forderung nie ernst gemeint war?
Die vertrauliche Depesche gibt Antworten. Darin erstattet die US-Generalkonsulin Karen Johnson am Silvestertag 2007 Washington Bericht über die Scientology-feindliche Stimmung in Deutschland. In ihrem Papier ist unter anderem von einem Gespräch mit dem damaligen Innenstaatsrat Christoph Ahlhaus die Rede.
Der heutige Bürgermeister soll gegenüber Konsulatsmitarbeitern beschwichtigt haben, das Thema Scientology werde nur im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl im Februar 2008 so hoch gehängt. Nach einem Verbot von Scientology zu verlangen, komme nun mal gut beim Wähler an. Ahlhaus soll geäußert haben, das Thema werde nach der Wahl im Sande verlaufen.
Weiter ist davon die Rede, dass sich Ahlhaus abfällig über Ursula Caberta geäußert habe, die Chefin der Hamburger Scientology-Arbeitsgruppe, die die Sekte jahrelang bekämpfte: Ahlhaus beklagte sich gegenüber seinem Gesprächspartner vom US-Konsulat, sie spreche sehr oft mit Journalisten, ohne ihre Worte mit der Behörde abgestimmt zu haben. Innensenator Nagel halte Caberta ohnehin für „a little crazy“ (ein bisschen verrückt).
Diesen Freitag im Hamburger Rathaus: Senatssprecherin Kristin Breuer spielt die Angelegenheit herunter. Ahlhaus habe sich auch nach 2007 immer wieder für ein Verbot von Scientology eingesetzt. Es habe dafür aber nie Mehrheiten gegeben.
Schweres Geschütz fährt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Dressel auf. Er wirft Ahlhaus vor, ein doppeltes Spiel gespielt zu haben: „Nach außen wird zum Angriff gegen Scientology geblasen. Und hinter vorgehaltener Hand beruhigt ein Herr Ahlhaus die USA, alles werde nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ein Unding!“
Dressel erinnert daran, dass erst vor wenigen Wochen gegen den Widerstand der SPD die Scientology-Arbeitsgruppe aufgelöst und Ursula Caberta kaltgestellt wurde. Er ist überzeugt, dass dies ein Entgegenkommen an die USA war, ein „Wahlkampfgeschenk“.
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht viel von Ursula Caberta und ihrer Scientology-Obsession halte. Mit ihrer Agressivität schadet sie der Sache mehr, als dass sie ihr nützt. Ich werfe ihr außerdem vor, keine wirkliche Sektenbeauftragte der Stadt zu sein, denn für ehemalige Zeugen Jehovas tut diese Frau gar nichts.
Die offizielle Begründung für die Schließung der Gruppe Scientologie lautete, man habe diese Arbeit nunmehr dem Verfassungsschutz übertragen. Man wollte also Profis mit der Angelegenheit beauftragen. Ich habe damit die Hoffnung verbunden, dass Hamburg endlich einen richtigen Sektenbeauftragten bekommt, jemand, der mit den Seelennöten von Aussteigern umgehen kann, jemand, der die Bibel kennt, weiß, was ein Gebet ist und vor allen Dingen Kindern und Jugendlichen helfen kann. Ein liebenswerter Mensch also, der sich der Sorgen der Aussteiger aller Sekten annimmt. Das wären auch meine Forderungen an den nächsten Senat.
Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen über Ahlhaus einfach nur peinlich. Er redet mit gespaltener Zunge. Einem Vertrauensaufbau dient das jedenfalls nicht. Und welcher Wähler hat Lust sich dermaßen für Wahlzwecke missbrauchen zu lassen? Eine Politik für den Bürger ist das nicht.