Plagiatsaffäre – Bundeskanzlerin Merkel in der Kritik – Morgenpost

Eine Ausnahmegenehmigung für Guttenberg
Dienstag, 1. März 2011 02:24 – Von Florian Kain

In der Plagiatsaffäre um die Dissertation von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stößt die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunehmend auf Kritik.

„Da Herr zu Guttenberg die Chance verpasst hat, einen beeindruckenden Rücktritt hinzulegen, liegt die Verantwortung für den Fall nun ganz bei der Bundeskanzlerin – ich glaube nicht, dass Angela Merkel noch lange an der schizophrenen Unterscheidung zwischen Guttenbergs Promotionsbetrug und seinen Aufgaben als Bundesverteidigungsminister wird festhalten können“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse der Berliner Morgenpost. Längst gehe es in der Causa Guttenberg auch um den Ruf des Wissenschaftslandes Deutschland sowie „um den Identitätskern der Union“, so der SPD-Politiker.
Thierse empört sich

Thierse bekräftigte: „Es ist mir schleierhaft, wie irgendjemand in dieser Partei künftig noch über Werte, über Anstand, Bildung und Wahrhaftigkeit reden will, wenn die dort vorgegebene Argumentationslinie lautet, dass das, was Guttenberg in seiner Dissertation gemacht hat, mit seinem politischen Amt nichts zu tun hat. Schließlich spricht man auch an der Juristischen Fakultät der Uni Bayreuth inzwischen offen davon, betrogen worden zu sein. Diebstahl und Betrug sind aber keine Privatsache.“

Zuvor hatte Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz erklärt, Merkel habe Verständnis für die Kritik, die es aus Wissenschaftskreisen an Guttenbergs Promotionsschrift gebe. Sie teile aber nicht die Schlussfolgerung, dass es sich bei seinem Verhalten um eine Missachtung der Wissenschaft gehandelt habe. Vielmehr glaube die Kanzlerin dem Minister, dass er nicht vorsätzlich getäuscht habe – Letzteres hatte der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater, der Bayreuther Jura-Professor Oliver Lepsius, aber unterstellt. Seibert forderte, das Ergebnis der entsprechenden Untersuchungen der Universität abzuwarten. In Berliner Regierungskreisen wird deshalb spekuliert, ob Merkel womöglich eine Neubewertung des Falles vornimmt, wenn die Universität zu einem solchen Befund kommt. Wissenschaftsministerin Annette Schavan, als stellvertretende CDU-Vorsitzende eine Vertraute der Kanzlerin, hatte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ jedenfalls betont, dass sie die Affäre nicht als Lappalie ansieht.

Unterdessen berichtete der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf ungenannte Bayreuther Fakultätskreise, dass Guttenberg eine Ausnahmegenehmigung beantragen musste, um überhaupt zum Promotionsverfahren zugelassen zu werden. Demnach sei Guttenbergs juristisches „Prädikatsexamen“, mit dem er auch in seinem Lebenslauf warb, nur ein sogenanntes „kleines Prädikat“ mit der Note „befriedigend“ im „unteren Bereich“. Nach der Promotionsordnung der Uni Bayreuth dürfen Bewerber mit dieser Note nur „ausnahmsweise“ zur Promotion zugelassen werden. Aus der Fakultät hieß es zwar, die Zulassung eines „befriedigend“-Kandidaten sei „nicht ungewöhnlich“. Dass der Kandidat dann aber die Bestnote „summa cum laude“ erziele, sei jedenfalls „nicht der Regelfall“. Zu den Befürwortern der Ausnahmeregelung soll auch Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle gezählt haben, der am Montag in einer schriftlichen Erklärung aber ebenfalls auf Distanz zum Verteidigungsminister ging (siehe Kasten). In der Poststelle des Kanzleramts wurde außerdem ein Brief abgegeben, den 23 000 Doktoranden im Internet unterschrieben hatten. Die Nachwuchswissenschaftler kritisieren darin, dass die Kanzlerin weiter an ihrem Minister festhält. Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz sagte, er wolle die Konsequenzen im politischen Raum nicht bewerten. Sollten sich die Vorwürfe gegen zu Guttenberg aber erhärten, dann „wäre der Glaubwürdigkeitsverlust für die Wissenschaft wie für die Politik sehr erheblich“.

Der Minister selbst erklärte gegenüber dem „Münchner Merkur“, sein Anspruch bleibe, „dem Vertrauen gerecht zu werden“: „Wenn dieser Anspruch in Teilen gelitten hat, muss man daran arbeiten, ihn wieder zu erfüllen.“ Die Vorwürfe, er sei ein Betrüger, habe er „zur Kenntnis zu nehmen“: „Ich glaube, es wäre übermenschlich, wenn einen so harte Vorwürfe nicht innerlich beschäftigen würden.“

Doch auch in Koalitionskreisen scheint das Vertrauen in Guttenberg nicht zu wachsen. Am Montag sagte die Hamburger FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding: „Herr zu Guttenberg hat einen großen Fehler gemacht und hat das auch mit Sicherheit schon damals gewusst. Er sollte die Konsequenzen ziehen.“

Quelle: Morgenpost.de

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Über Ricarda

Gründerin und Leiterin der Mobbing-Zentrale, Parteilose Kandidatin für die Bürgerschaftswahl Hamburg 2013
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