Bayreuther Jura-Professor über den Ex-Doktor: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen“
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg steht weiter unter erheblichem Druck. Während die Opposition den CSU-Politiker abermals als politisch nicht mehr tragbar bezeichnete, halten Wissenschaftler die von Guttenberg vorgebrachten Erklärungen für sein Fehlverhalten für unglaubwürdig. Angesichts anhaltender Angriffe stellte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) die Frage, wie lange Guttenberg noch im Amt bleibe.
In Berlin haben mehrere Hundert Menschen gegen Guttenberg und seinen Umgang mit der Affäre protestiert. Die Demonstranten zogen vor das Ministerium. Angemeldet war die Demo laut Polizei unter dem Motto „Protest gegen das ehrlose Verhalten des Verteidigungsministers, der Bundeskanzlerin und der Regierungsfraktionen im Bundestag“.
Guttenberg war in der vergangenen Woche von der Universität Bayreuth wegen Verstoßes gegen wissenschaftliche Pflichten der Doktortitel entzogen worden. Im Bundestag hatte der Minister „gravierende Fehler“ zugegeben und sich für die nicht gekennzeichnete Übernahme aus anderen Veröffentlichungen entschuldigt.
Harsche Kritik kam erneut aus den Reihen der Opposition. Allen voran bezweifelte SPD-Chef Sigmar Gabriel die uneingeschränkte Führungsfähigkeit Guttenbergs. „Herr zu Guttenberg ist jetzt ein Minister auf Abruf, ein Minister von Merkels Gnaden. Er ist am Kabinettstisch auf das Mitleid des Finanzministers und der Kanzlerin angewiesen, wenn er etwas für die Bundeswehr durchsetzen will“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. Damit sei er „zum Risiko für die Bundeswehr geworden“.
Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, warf Guttenberg vor, in der ganzen Zeit bisher keinen Beitrag zur Aufklärung der Affäre geleistet zu haben. Dem „Hamburger Abendblatt“ sagte sie, der CSU-Politiker habe in der Aufarbeitung der Plagiatsvorwürfe „bislang nicht wirklich gebeichtet, sondern eher vertuscht und verharmlost“. Das müsse endlich Konsequenzen haben.
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer hält es für fraglich, ob Guttenberg noch lange dem politischen Druck standhalten kann. „Es wird immer Menschen geben, die ihm die Fehler bei seiner Doktorarbeit in der Öffentlichkeit genüsslich vorwerfen. Und ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann“, sagte Böhmer dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hingegen traut Guttenberg noch eine große Karriere zu. „Mein junger Kollege wird sich wieder erholen.“
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, warnte indes, Plagiate in der Wissenschaft als Kavaliersdelikt zu verharmlosen. Geistiges Eigentum in der Wissenschaft sei genauso wertvoll wie materielles Eigentum. „Dies muss von Gesellschaft und Politik wohl noch bewusster mitgetragen werden“, sagte Kleiner. Nach Einschätzung von Juristen handelte Guttenberg bei seiner abgeschriebenen Dissertation nicht aus Versehen, sondern aus Vorsatz. Wie der „Spiegel“ berichtet, sehen mehrere namhafte Experten die Beweise als erdrückend an. Der auf Streitereien um Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert sagte: „Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan.“
Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle, Oliver Lepsius, hält den Verteidigungsminister für einen Betrüger. „Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat“, sagte der Jura-Professor an der Uni Bayreuth der „Süddeutschen Zeitung“. Die Behauptung Guttenbergs, ohne Vorsatz gehandelt zu haben, ließ Lepsius nicht gelten und warf dem Minister vor, „unter Realitätsverlust zu leiden“.
Unterdessen gehen die Untersuchungen der Vorfälle auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ weiter. Ein entsprechender Bericht werde „momentan finalisiert“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Agentur dapd. Zuvor hatte das Magazin „Focus“ berichtet, die disziplinarischen Ermittlungen gegen den suspendierten Schiffskommandanten Norbert Schatz seien beendet und der Kommandant entlastet. Der Sprecher wollte sich zu dieser Darstellung nicht äußern.
Im Fall des tödlichen Schusses auf einen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan rückt der Schütze offenbar zunehmend ins Zentrum der Ermittlungen. Wie der „Focus“ berichtet, geht die Staatsanwaltschaft Gera inzwischen davon aus, dass der Hauptgefreite aus Thüringen mit ausgestrecktem Arm auf seinen Kameraden geschossen hat. Staatsanwalt Jens Wörmann schließe weiterhin nicht aus, dass der Soldat bei sogenannten Schießspielen ums Leben gekommen sei.
ffr
Quelle: http://www.welt.de/print/wams/politik/article12654090/Forscher-und-Politiker-kontra-Guttenberg.html