Das ist Voraussetzung dafür, dass sich Guttenberg den staatsamtlichen Ermittlungen stellen kann. Es ist, aus meiner Sicht, auch seine einzige Chance aus der Nummer wieder rauszukommen. Nachdem mit Seiten, Zeilen und Prozenten seines Betruges gehandelt wird, bleibt ihm nur diese eine, den Gegenbeweis anzutreten. Vielleicht hofft er, dass das Verfahren mangels Beweises eingestellt wird oder er mit einer Bewährungsstrafe oder Zahlung eines Geldbetrages davon kommt. Danach steht es ihm dann offen, mit einem lädierten Ruf noch einmal in die Politik zu gehen oder sein Glück anderswo zu versuchen.
Völlig unverständlich jedoch ist mir die Haltung einer Merkel oder eines Seehofers, die offensichtlich nur den Verlust ihres Überhangmandates im Blick haben. Vielleicht wäre Guttenberg eher zurückgetreten, wenn er besser beraten gewesen wäre, von Menschen, die nicht permament versucht hätten, ihn zum Bleiben zu überreden.
Das Internet ist gnadenslos und vergisst nicht. Wenn Guttenberg sagt, er sei am Ende seiner Kräfte und auch seine Familie sei in Mitleidenschaft gezogen, so ist das die Folge der pausenlosen Berichterstattung, die jeder kennt, der schon einmal in die Schusslinie geraten ist. Sie löst ein dem PTSD ähnliches Phänomen aus, dass wir auch bei Mobbing und Stalking kennen. Die Gedanken kreisen unendwegt um die belastende Situation. Das Einzige, was jetzt hilft, ist Rückzug, um wieder zur Ruhe zu kommen, sein Leben zu sortieren und neue Kraft zu tanken. Guttenberg hat also mit seinem Rücktritt und dem Nierderlegen aller Ämter genau das getan, was als Notbremse in dieser Situation nötig war.
Merkel, Seehofer und all jene, die ihn immer noch fordern, scheinen nicht verstanden zu haben, dass dieser Mann kurz vor dem Nervenzusammenbruch ist. Sie scheinen auch seinen Charakter nicht zu verstehen. Er kann sich jetzt gar nicht mehr als einfaches Mitglied des Bundestages vorführen lassen und sich den Buh-Rufen und der Häme der anderen stellen.
Mit einem würdigen Abgang hatte der Rücktritt Guttenbergs nicht viel zu tun. In der Lebensmitte sollte man sich eine Auszeit nehmen, eine Rückschau halten und sich und seine Handlungen kritisch hinterfragen. Tut man das nicht, dann holt einen die zweite Lebenshälfte unweigerlich ein. Ich empfehle Guttenberg ein Sabbatjahr (ich gehe davon aus, dass er sich das finanziell leisten kann).
Vielleicht hat er dann eine Chance wirklich geläutert zurückzukehren – nicht als Politiker. Eine einfache Arbeit, mit den eigenen Händen, dort wo das Elend zuhause ist, könnte für ihn ein Schritt zu sich selbst sein. Davon ist er bisher weit entfernt.